Der „Kulturpalast“ an der Piața Victoriei, der das rumänische Nationaltheater, das Opernhaus sowie das deutsche und ungarische Staatstheater beherbergt, hat eine bewegte Geschichte, die bis ins 18. Jahrhundert zurückgeht.
1746
Beginn der deutschen Theatervorstellungen in Temeswar durch „fahrende Komödianten“.
1767
In das Gebäude des raizischen (serbischen) Magistrats, wo heute das Nikolaus-Lenau-Lyzeum steht, wird ein Theatersaal installiert.
1776
Das raizische Magistratshaus wird vergrößert und für Theaterzwecke eingerichtet. Das Theater findet hier einen ständigen Sitz.
22. November: Eröffnung des Theatergebäudes im umgebauten raizischen Magistratshaus.
1795
Die Stadt lässt, unter der Aufsicht des Stadtrichters Ignaz Koppauer, das ehemalige raizische Magistratshaus durch Umgestaltungsarbeiten zu einem richtigen Theatergebäude umbauen.
1807 – 1808
Wegen des regen Theaterbesuches erweist sich das Theatergebäude bald als viel zu klein. Es wird zum ersten Mal der Vorschlag gemacht, ein größeres Theatergebäude zu errichten. Aufgrund erheblicher Schwierigkeiten wird von der Verwirklichung des Plans Abstand genommen.
1868
Gründung eines Konsortiums, das unter Führung des Bürgermeisters Karl Küttel den Bau eines neuen Gebäudes für Theater, Redoute (Festsaal) und Hotel leitet. Das nötige Geld wird teilweise durch Aktienzeichnung beschafft.
1871
Am 26. September wird der Grundstein des neuen Theaters gelegt. Da man beim Bau auf große Hindernisse stößt – man muss das Gebäude auf 1600 Piloten bauen –, steigen die Kosten extrem an. Die Theater-Redoute-und-Hotel AG beschafft das fehlende Geld bei der Österreichischen Bodenkreditanstalt in deren Besitz das Gebäude später übergeht.
Das Theater wird nach den Plänen der Wiener Architekten Ferdinand Fellner d.J. und Hermann Helmer in eklektischem Stil gebaut.
Zwischen 1870 und 1913 errichtete das Architektur-Büro Fellner & Helmer mehr als 40 Theater in Europa, von Hamburg bis Odessa.
In Rumänien bauten Fellner & Helmer Theater in Jassy / Iasi, 1896; Großwardein / Oradea, 1900 und Klausenburg / Cluj-Napoca, 1906. Das letzte war das Wiener Konzerthaus im Jahr 1913. https://de.wikipedia.org/wiki/B%C3%BCro_Fellner_%26_Helmer
27. April: Feier zur Fertigstellung des Fundamentes.
Während seines Temeswarer Besuches, zwischen dem 5. und 7. Mai erteilt Kaiser Franz Joseph I. der Theater-Redoute-und-Hotel AG die Genehmigung, das Theater nach seinem Namen zu benennen. So erhält das Theater den Namen „Franz-Joseph-Theater“, während die
Redoute nach dem Kronprinz Rudolf benannt wird.
1875
12. Januar: Eröffnung der Redoute, ein großer Festsaal, im neuen Theater.
Der Bau des neuen Theatergebäudes ist beendet. Im Gebäude befand sich auch das Grand Hotel, ein luxuriöses Restaurant und ein Kaffeehaus.
Nach langen Verhandlungen wird das neue Theater am 22. September mit einem ungarischen Stück eingeweiht.
Am 25. September findet die erste deutsche Vorstellung im neuen Theater statt.
1880
Ein verheerender Brand zerstört am 30. April das neue Theatergebäude bis auf die Grundmauern. Die Redoute und das Hotel können gerettet werden. Die Österreichische Bodenkreditanstalt, als Eigentümerin des Theatergebäudes, plant an Stelle des abgebrannten Gebäudes ein Zinshaus zu erbauen. Nach langwierigen Verhandlungen gelingt es der Stadt, die Genehmigung zum Ankauf des niedergebrannten Gebäudes zu bekommen.
1881
Am 15. September beschließt der Stadtmagistrat das ausgebrannte Theater zu erwerben und es nach den Plänen des Architektur-Büros Fellner & Helmer wieder aufzubauen.
1882
12. Dezember: Feierliche Eröffnung des neu erbauten Theaters mit einer ungarischen Vorstellung.
15. Dezember: Beginn der deutschen Spielzeit.
1887
Das Temeswarer Theater wird verstaatlicht und kommt unter die Leitung des Budapester Nationaltheaters, das dafür sorgt, dass von Oktober bis Januar ungarisch, von Februar bis April deutsch gespielt wird.
1888
Im Theater wird die elektrische Beleuchtung eingeführt.
1898
Auf Antrag des Bürgermeisters Karl Telbisz, beschließt die Städtische
Verwaltungskommission, am 20. November, dass im Theater nur noch ungarisch gespielt werden darf.
1899
Am 27. März verabschiedete sich die deutsche Theatergesellschaft von ihrem weinenden Publikum mit dem Stück „Verschwender“ des österreichischen Autors Ferdinand Raimund.
1919
Am 7. August findet die erste Vorstellung in rumänischer Sprache statt. Ein Theater-Ensemble aus Craiova spielt „Flachsmann als Erzieher“ / „Institutorii“ von Otto Ernst (Schmidt).
1920
Am 4. Juni wird der Vertrag von Trianon unterzeichnet. Etwa zwei Drittel des Banats sowie Temeswar werden dem Königreich Rumänien zugesprochen.
Am 5. Oktober findet nach einigen Verzögerungen die Eröffnung der rumänischen Theater Spielzeit statt.
Am 30. Oktober gerät das Theatergebäude nachmittags um 5 Uhr in Brand. Bei den Löscharbeiten sterben zwei Feuerwehrmänner. Das Hotel, der Redoutensaal und ein Teil der Kostüme und Dekorationen können gerettet werden, aber der Innenraum des Theaters wird vollständig zerstört. Laut Bericht der „Temesvarer Zeitung“ ist „Vom Theatergebäude Fassade
und die Loggia übriggeblieben, und im Innenraum die vier Mauern; alles andere hat das Feuer vernichtet“.
1921
22. Mai: Das Ida-Günther-Theater-Ensemble beginnt in Temeswar die deutschen Vorstellungen mit Schillers „Maria Stuart“.
1922
Eine Konferenz im Stadthaus, unter Beteiligung des Stadtrates und einiger Fachkräfte aus Wirtschaft und Finanzwelt, beschließt am 9. Oktober das Theater am alten Platz wieder aufzubauen.
1923
Am 15. Juli beginnen die Wiederaufbauarbeiten des Theaters nach den Plänen des Bukarester Architekten Duiliu Marcu, einem Bewunderer des Mussolini-Staatsarchitekten Marcello Piacentini.
1928
15. Januar: Das wiederaufgebaute Theater ist fertiggestellt und kann seine Tore öffnen.
13. Mai: Feierliche Eröffnung des Stadttheaters mit einem Gastspiel des Craiovaer Nationaltheaters.
1928 – 1933
Da die Fassade des Theaters vom Brand nicht zerstört wurde, bleibt sie zunächst weitgehend unverändert.
In den Jahren 1934 bis 1936 erfolgte dann der Neubau des Großen Saals sowie die Errichtung der heutigen Hauptfassade. Vor die historische Fassade des Theaters von Fellner & Helmer, wird eine Travertin Fassade vorgeblendet im Stil eines Triumphbogens, wobei die zur Piața
Victoriei zeigenden Fenster verschlossen wurden. Saal und Fassade wurden im neobyzantinischen Stil mit Jugendstil Einflüssen angefertigt.
1935
15. November: Festliche Eröffnungsvorstellung des Deutschen Landestheaters, ein Tourneentheater aus Hermannstadt / Sibiu, gastiert mit Friedrich Schillers „Wilhelm Tell“.
1945
14. Oktober: Gründung eines dauerhaften Theaters in rumänischer Sprache.
1946
Am 30. März wird durch ein Dekret in Temeswar die rumänische Oper ins Leben gerufen.
1949
Dezember: Anlässlich des 200. Geburtstags von Johann Wolfgang von Goethe veranstaltet das Deutsche Gemischte Lyzeum, im Dezember eine Goethe-Feier. Kernstück der Veranstaltung ist die Aufführung des „Egmont“.
1953
1. Januar: Gründung der deutschen Abteilung des Temeswarer Staatstheaters.
12. Juni: Eröffnungsvorstellung der neu gegründeten deutschen Abteilung des Temeswarer Staatstheaters im ehemaligen Redoutensaal des Theatergebäudes. Es sind 100 Sitzplatze vorhanden.
Gründung des Ungarischen Staatstheaters aus der ungarischen Abteilung des Staatstheaters.
1956
August: Das Kulturministerium beschließt die Gründung des „Temeswarer Deutschen Staatstheaters“ als selbständige Kulturinstitution. Die deutsche Sektion des rumänischen Staatstheaters wird somit auch verwaltungsmäßig ein selbständiges Theater.
1989
20. Dezember: Vom Balkon des Gebäudes wird Temeswar als erste freie Stadt Rumäniens erklärt und somit der Zusammenbruch der kommunistischen Diktatur in Rumänien eingeleitet.
2003
Der Rückbau der Hauptfassade des Fellner & Helmer Theaterbaus wird kontrovers diskutiert, aber von den Entscheidungsträgern abgelehnt. Letztendlich wird ein Kompromiss gefunden. Seitlich erfolgt ein Rückbau der Renaissance-Fassade, die verschlossenen Fenster werden freigelegt. In der Mitte verbleibt der fragwürdige Umbau von Duiliu Marcu.
2020
Die Diskussionen über einen kompletten Rückbau der Theaterfassade dauern an.
Literatur
Baciu, Claudiu: Academia Militara 1941-2011,
https://www.bucurestiivechisinoi.ro/2011/11/academia-militara-1941-2011/
Heinz-Kehrer, Stefan: Das deutsche Theater in Temeswar im 18. und 19. Jahrhundert, 1746-1899 Typoskript
Opriș, Mihai; Botescu Mihai: Arhitectura istorica din Timișoara, Timișoara: Tempus, 2014
Weber, Richard: Temeswarer Chronik, Karlsruhe 2009. Manuskript von seiner Tochter Dr. Isolde Weber. Veröffentlicht in der Banater Bibliothek 19, Hrsg. Landsmannschaft der Banater Schwaben e.V., München 2019.
Alte Ansichtskarten: aus den Sammlungen von Erhard A. Berwanger, Dr. Walter Stahli und Richard Weber.
Aktuelle Photos: Erhard A. Berwanger.